Newsticker Wald

Herkunft des überfahrenen Wolfes bei Lahr ist bekannt - Wolfsrüde aus Ostschweiz zugewandert

Der im Juni auf der Autobahn A5 nahe Lahr überfahrene Wolfsrüde ist aus der Ostschweiz zugewandert. Dies ergaben die Analysen des Laboratoriums für Naturschutzbiologie der Universität Lausanne, Schweiz, die von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) in Auftrag gegeben worden waren.

1. Der an der A5 bei Lahr am 22. Juni 2015 tot aufgefundene Wolfsrüde M53 aus der Schweiz

2. Lage des Elternrudels von M53 und Unfallort bei Lahr am 22. Juni 2015. Die genaue Wanderroute des Wolfes ist unbekannt. Grün dargestellt sind Wildtierkorridore in Baden-Württemberg und Umgebung.

3. Untersuchung des Wolfes

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der FVA sind durch das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) landesweit mit dem Wolfsmonitoring beauftragt. Mit Unterstützung durch die Wildtierbeauftragten der Landkreise werden von ihnen Beobachtungen aus der Bevölkerung gesammelt und überprüft. Nachdem aufmerksame Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung bei Lahr Ende Juni ein überfahrenes wolfsähnliches Tier gemeldet hatten, wurde dieses von den Expertinnen und Experten der FVA untersucht und als Wolf angesprochen. Um einen Wolf-Hund-Mischling auszuschließen und die Herkunft anhand von Referenzproben aus benachbarten Wolfspopulationen zu klären, wurden genetische Proben des Tieres an verschiedene Laboratorien in Deutschland und der Schweiz geschickt.

 

Die Ergebnisse der Senckenberger Gesellschaft für Naturforschung aus Gelnhausen bestätigten, dass es sich um reinrassigen Wolf der „Alpinen Wolfspopulation“ handelt. Mit einer weitergehenden Analyse wurde das Laboratorium für Naturschutzbiologie der Universität Lausanne beauftragt. Dort konnte anhand von vorliegenden Referenzproben die Herkunft des Tieres exakt bestimmt werden. Demnach handelt es sich bei dem überfahrenen Wolf um das im Frühjahr 2014 geborene Tier M53 aus dem schweizerischen Wolfsrudel im Calandagebiet bei Chur. Die direkte Entfernung zwischen Geburtsort und Unfallort beträgt etwas über 200 Kilometer, die tatsächlich zurückgelegte Wegstrecke ist vermutlich wesentlich größer.
Neben den genetischen Untersuchungen wurde der Kadaver am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin auf Krankheiten und die körperliche Verfassung untersucht. Bei dem knapp 30 Kilogramm schweren Rüden konnten keine Krankheiten nachgewiesen werden. Die Verletzungen der Rippen und der inneren Organe bestätigten den Tod durch ein Trauma in Folge des Zusammenstoßes mit einem Kraftfahrzeug.

 

Kontakt für Rückfragen:
Dr. Micha Herdtfelder, FVA
Telefon: +49 (0)761 / 4018-325

 

Fotos (FVA) 
 


?
Hintergrundinformationen:

Wolfsrudel:
Ein Wolfsrudel besteht immer aus einem Elternpaar und den von ihnen gezeugten Jungtieren. Sie besetzen gemeinsam ein Territorium von 250 bis 300km². Haben die Jungtiere ein Alter von 1,5-2 Jahren erreicht, verlassen sie ihr Elternrudel und begeben sich auf die Suche nach einem geeigneten Territorium, um ein eigenes Rudel zu gründen. Hierbei legen vor allem die männlichen Wölfe häufig Distanzen von mehreren hundert Kilometern zurück.

 

Wolfsvorkommen:
In Mitteleuropa gibt es zwei Wolfspopulationen, aus denen Wölfe nach Baden-Württemberg zuwandern können. Im Nord-Osten Deutschlands und in Westpolen breitet sich die Mitteleuropäische Flachlandpopulation aus. Alle bisher festgestellten Wolfsrudel in Deutschland (aktueller Stand: über 30 Rudel) sind nachweislich dieser Population zuzuordnen. Gleichzeitig breiten sich Tiere aus der sogenannten Alpenpopulation in nördliche Richtung aus. Diese Population umfasst alle Wolfsvorkommen in den italienischen und französischen Seealpen und der Schweiz sowie das durch Zuwanderung entstandene Wolfsrudel in den Vogesen, welches im Jahr 2013 erstmals Nachwuchs hatte. In Bayern werden seit 2006 immer wieder einzelne Tiere aus der Alpenpopulation nachwiesen. Im Jahr 2011 wurde ein Wolf aus dieser Population in Hessen nachgewiesen und wurde ein Jahr später in Rheinland-Pfalz von einem Jäger erschossen, der ihn für einen wildernden Hund hielt.

 

Im Calandagebiet wurden Wölfe erstmals im Jahr 2010 nachgewiesen. Zwei Tiere, die einzeln aus dem Schweizerischen Oberwallis zugewandert waren, bringen seit dem Jahr 2012 jährlich Jungtiere zur Welt. Aus diesem Rudel abwandernde Jungtiere werden regelmäßig im Rahmen des Schweizerischen Monitoring nachgewiesen. Dabei überwiegen die Abwanderbewegungen im Alpenraum, immer wieder kommt es aber auch zu Nachweisen nördlich der Alpen. So wurde im Juni 2014 ein junger Wolfsrüde aus diesem Rudel in Schlieren bei Zürich vom Zug überfahren.

 

Wölfe und Menschen:
Grundsätzlich stellen Wölfe keine Gefahr für den Menschen dar. Wölfe kommen nur in sehr geringen Dichten vor und vermeiden als vorsichtige Tiere gewöhnlich eine direkte Begegnung mit Menschen. Da sie Menschen bereits über große Distanzen wahrnehmen, ist eine Begegnung zwischen Mensch und Wolf daher auch in Wolfsgebieten eine Seltenheit. Jungwölfen sind auch dem Menschen gegenüber teilweise neugierig und weniger vorsichtig. Zum normalen Verhalten von Wölfen gehört, dass sie sich ebenso wie Füchse, Dachse, Wildschweine und andere Wildtiere auch gelegentlich Siedlungen nähern. Auch das Queren einer Siedlung v.a. in den Nachtstunden ist nicht ungewöhnlich, stellt aber keine Gefahr für den Menschen dar.

 

Weitere Informationen:
http://www.wolfsregion-lausitz.de/
http://www.kora.ch/index.php?id=214&L=0&tx_ttnews%5Btt_news%5D=553&cHash=df6f923cba29507fbe08c681e54ca99f